Jens war einer dieser Menschen, die gerne abends weggingen und sich mit Freunden traf. Er hatte das in seiner Jugend nicht oft gemacht, doch nun, wo er auf die 30 zuging hatte er einiges nachzuholen. Meist machten ihm diese Abende Spaß, doch oft bereute er es am nächsten Morgen wieder, wenn er mit einem dicken Kater aufwachte, weil er wieder zuviel getrunken hatte. Jens ist in einer kleinen Stadt nahe Hamburg aufgewachsen, wo nicht viel los war und als er dann nach Berlin zog, war es schon ein regelrechter Kulturschock für ihn und er brauchte erst einmal Zeit, um dort anzukommen. Das dauerte allerdings nicht allzu lange und voller Begeisterung sog er Berlin in sich auf. Doch, wie es bei allen Sachen ist, vergeht die Euphorie und Energie relativ schnell und Normalität schleicht sich in den Alltag ein. Dann ist auch eine Großstadt wie Berlin nur noch eine weitere große Stadt. Und wenn man anfängt dort zu arbeiten und den ganzen Tag in einem Büro verbringt, dann ist es letzten endes auch egal, wo man ist. Diese Ernüchterung machte Jens ordentlich zu schaffen und er musste anfangen, nach etwas zu suchen, dass ihn glücklich machte – keine Stadt, keine tolle Wohung, kein teures Auto. Nein, was er brauchte, war Geborgenheit. Eine Person, bei der er glücklich sein konnte. Jens wohnte allein, hatte jedoch immer wieder Freundinnen. Aber auf Dauer funktionierte es nie lange mit einer und so war er größtenteils allein. Entweder waren die Interessen zu unterschiedlich, so dass man sich auseinanderlebte, oder bei ihm schwand einfach das Interesse an der anderen Person. Das wurde dann irgendwann so deutlich, dass seine Feundnin das Desinteresse bemerkte und einen Schlussstrich zog. Aus diesem Grund ging Jens auch verstärkt auf Partys und in Clubs, um jemanden kennenzulernen. Ihm war klar, dass dies nicht unbedingt der richtige Ort war, um eine Frau fürs Leben zu finden. Aber was blieb ihm anderes übrig? Bei der Arbeit war keine Frau dabei, die nur annähernd interessant für ihn war. Er war Beamter. Beamter beim Straßen- und Grünflächenamt. Wie er da reingerutscht war, wusste er selber nicht mehr so genau. Er hatte in seiner Jugend nie richtig darüber nachgedacht, was er werden wollte. So kam das Abi, der Umzug nach Berlin, das Studium. Und dann kannte einer seiner Freunde irgendwen, der wieder jemanden kannte und schon hatte er bei der Stadt Berlin einen Job, der gutes Geld und geregelte Arbeitszeiten hatte. Der Job war nicht besonders kreativ. Das passte ganz gut zu Jens. Je konkreter die Aufgabe und je genauer die Beschreibung, was zu tun war umso angenehmer war es für ihn. Arbeit war nur Arbeit. Wenn um 16:00 oder 16:30 Uhr der Bleistift fiel, dann klappte auch bei Jens im Kopf ein Schalter um, der ihn die Arbeit komplett ausblenden ließ. Selbstverwirklichung war nicht seins. Er war gerne das kleine Rad in einem Getriebe aus hunderten von Mitarbeitern, wo jeder genau wusste, was er zu tun hatte.
Das Weggehen mit seinen Freunden klappte mal mehr und mal weniger gut. Jedes Mal, wenn er mit seinen Freunden unterwegs war, funktionierte das Kennenlernen von Frauen nicht, da in so einer Männerrunde eine Frau ganz schnell auf ihr Äußeres reduziert wird und Gespräche dann eine Richtung einschlagen, die er nicht. Manchmal war es ok, aber wenn er sich mit einer Frau unterhielt und in der anderen Ecke seine Freunde lungerten und schauten, wie er sich anstellte, dann blockierte ihn das. „Hast Du sie rumgekriegt?“ oder „Die ist heiß.. geht da was? Sonst schnapp ich sie mir.“ sind die häufigsten Fragen, die auftauchten. Da er wusste, wie seine Jungs drauf waren, hatte er auch keine Lust, seine Bekanntschaft den Jungs vorzustellen, aus Angst, sie würden etwas peinliches oder sogar abwertendes sagen. Klar hatte er schon oft überlegt, den Freundeskreis zu meiden, aber so einfach war es für ihn nicht. Er mochte jeden einzelnen von ihnen und hatte sie über die Jahre kennengelernt. Jeder hatte seine guten und seine schlechten Seiten. Und so vergingen die Monate und Jahre mit immer denselben Leuten und dem selben Ablauf in Bars und Clubs. All seine Freunde hatten Freundinnen oder sogar schon Ehefrauen, aber die waren alle nichts, mit denen Jens etwas anfangen konnte. Entweder waren sie total unterwürfig ihrem Freund gegenüber, weil er das Größte in ihrem Leben war oder er fragte sich bei manchen, was sie von seinen Freunden wollten, da sie so gar nicht zueinander passten. Vielleicht waren sie auch einfach nur Ablenkung für die Frauen. Sie sahen relativ gut aus, waren gepflegt und hatten trainierte Körper. Da wird bei vielen Frauen erstmal das Verlangen provoziert. Aber ob die Beziehung dann nur auf das eine, nämlich Geschlechtsverkehr hinausläuft würde sich zeigen. Jens war ein schlanker und großer Typ. Er hatte rote lockige Haare und einen leichten Bartwuchs. Er trainierte auch nicht, da er einer dieser Menschen, war die nicht großartig zunahmen und ihr Gewicht und die Körperform stabil halten konnte. Aus diesem Grund hatte er auch kein Interesse an Sport und konnte auch die Faszination einiger nicht nachvollziehen. Ihm war schon klar, dass durch die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin die Motivation angefeuert würde. Doch er sah für sich keinen Sinn darin und konnte keinerlei Begeisterung dafür aufbringen. Seine Freunde versuchten eine Zeit lang ihn zu motivieren doch, hatten es mittlerweile aufgegeben. Jens hatte des öfteren auch schon daran gedacht, ob sein Interesse in eine andere Richtung geht, in Richtung Männer. Aber er konnte sich nie richtig dazu aufraffen, einen Mann anzusprechen, mit ihm ein tiefgehendes Gespräch zu führen oder gar intim mit ihm zu werden. Und so ging er dem auch nicht weiter nach. Klar fand er Männer attraktiv. Aber eher im Sinne der Bewunderung. Er schaute einen Mann an und war beeinduckt von dessen Selbstsicherheit oder einfach von seinem äußeren Auftreten, seiner Aura. Das empfand er bei Männern öfter als bei Frauen, aber das lag wohl eher daran, dass er sich mit anderen Männern verglich und die eigenen Unzulänglichkeiten in eine Waagschale warf. Er schnitt dabei nie gut ab, aber auch das störte ihn nicht besonders. Es war keine Gleichgültigkeit, eher sowas wie Akzeptanz. Er akzeptierte sich so, wie er war. Nicht mehr und nicht weniger. Seine Freunde hatten auch schon mehr als ein Mal versucht, ihn zu verkuppeln, aber das führte nie zum Erfolg. Es endete immer in belanglosen Gesprächen bei einem Essen in einem Restaurant, was er dann bezahlt hatte. Er verabschiedete sich dann meistens mit einer Umarmung, tauschte die Nummern aus und ging getrennte Wege. Ein weiterer Anruf oder eine Nachricht kamen meistens nicht. Es fing schon langsam an, ihn zu stören und er bergann mal genauer zu überlegen, was er denn anders machen könnte. Frauen waren genug da, das war nicht das Problem. Hübsch waren sie auch, doch das war nicht, was er wollte. Gab er sich nicht genug Mühe mit seinen Bekanntschaften? Legte er nicht hundert Prozent in die Beziehungen? Warum hielt seine Begeisterung nicht an, wenn er mit einer Frau zusammen war? Verliebt war er schon einige Male, doch empfand er es nicht als eine so große Sache. Er ging eher rational an die Sache ran und freute sich eine Freundin zu haben. Er fing an, Dinge allein zu unternehmen, um zu schauen, was alles passieren könnte. Klar ist es immer unangenehm, irgendwo allein hinzugehen, z.B. ins Restaurant oder ins Kino, aber er probierte es aus. Jedoch merkte er schnell, dass das nicht die Art von allein Weggehen war, die er sich vorstellte. Bars und Clubs waren nun an der Reihe, wo es nicht so offensichtlich war, wenn man alleine durch die Gegend pirschte. In Bars versuchte er sein Glück am Tresen und geriet das ein oder andere Mal in die Verlegenheit, in den Armen einer überarbeiteten und verzweifelten Mittvierzigerin zu landen, die ihm nach dem Sex weinend ihre ganze traurige Lebensgesichte erzählte. Nichtsdestotrotz versuchte er weiter sein Glück in Bars. Er hatte eine zu der er letztenendes immer wieder zurückkehrte – es war die Kim Bar in der Brunnenstraße.
Eines Abends beobachtete er eine Gruppe von jungen Frauen, alle so Anfang dreißig, die wohl einen Junggesellenabschied feierte. Die Braut stand wie immer ganz im Fokus. Sie hatten alle Prinzessinnenkostüme an. Die Dame des Abends hatte ein rosa Kleid an und die anderen Mädels waren in weiß mit dem gleichen Outfit unterwegs. Sie waren alle gut gelaunt und schon ordentlich angetrunken. Aber sie waren nicht unangenehm, so wie es solche Frauengruppen meistens an sich haben. Irgendwelche Kuss- oder Saufspiele mit Männer, die sie noch nie gesehen haben und wohl auch nie wieder sehen würden, gab es nicht. Sie lachten, unterhielten sich und tranken entspannt einen Sekt nach dem anderen. Jens‘ Blick blieb bei einer blonden Frau hängen, die ihn schon ein paar Mal angeschaut hatte. Da passierte etwas, das Jens so noch nie erlebt hatte. Ihm wurde warm und er wusste nicht, was er machen sollte. Sowas kannte er von sich nicht. Es waren nur die Blicke, die ihn so aus der Bahn warfen. Normalerweise konnte er in solchen Momenten auf die Frau zugehen und sie ansprechen und dann kam eins zum anderen oder machmal eben auch nicht. Doch hier war es anders. Er wollte sie anschauen, doch eine Schüchternheit kam in ihm auf, die er zum ersten Mal verspürte. Es vergingen ein paar Stunden und Jens war immer noch dabei, mit der Frau Blicke auszutauschen, bis plötzlich die Braut in ihrem pinken Kleid rief: „Weiter Mädels – die Nacht ist noch jung!“. Woraufhin die anderen Mädels sofort reagierten und aufsprangen, um ihre Sachen zusammenzusuchen. Was sollte er jetzt auf die Schnelle machen? Er konnte nicht einfach rübergehen und sie ansprechen, dazu hatte er nicht den Mut. Zu seinem Glück rannte eine der Freundinnen noch schnell auf die Toilette, so dass er dort seine letzte Chance witterte, irgendeine Info zu der Frau zu bekommen, die er die ganzen Zeit schüchtern ansah. Er wartete ein paar Minuten und gind dann in Richtung Toilette, um sie abzufangen. Als sie aus der Damentoilette kam lief sie direkt in die Arme von Jens. Er entschuldigte sich bei ihr und stellte sich vor um irgendwie ein Gespräch aufzubauen. Sie hieß Coco und sagte, dass es kein Problem sei, sie aber jetzt schnell weiter müsse. Jens warf ein kurzes und verzweifeltes „Warte. Ich hab noch eine Frage!“ hinterher, in der Hoffnung, dass sie stehenbleiben würde. Coco drehte sich zum Glück um und sagte „Aber nur, wenn es wirklich schnell geht.“ Jens erzählte ihr, dass ihm die blonde Frendin aufgefallen sei, die in der Gruppe dabei war und er gerne wissen wolle, in welche Clubs oder Bars sie gerne geht. Coco lächelte Jens an und sagte „Du bist aber süß. Meinst Du Katrin?“Jens Augen fingen vor Freude an zu leuchten, als er ihren Namen hörte. „Roter oder Grüner, was das bedeutet musst Du selber rausfinden. Ganz so leicht mach ich dir es nicht.“ sagte Coco und machte sich schnell auf den Rückweg zu den anderen Frauen. Jens stand einfach nur da und schaute ihr hinterher. Roter oder Grüner. Was konnte das nur bedeuten? Er ging zu seinem Platz zurück. Die Junggesellengruppe war mittlerweile verschwunden und er trank sein Bier zuende aus. Als er sich auf den Weg machen wollte, da schlug die Antwort wie ein Blitz bei ihm ein. Die beiden Clubs der Berliner Volksbühne. Der Rote Salon und der Grüne Salon. Nun wusste er, wo er in den nächsten Wochen hingehen und auf Katrin warten würde. Was für ein schöner Name, dachte er sich und ging im leichten Nieselregen zur nächsten Tram. In den nächsten Wochen verbrachte er immer wieder Zeit in beiden Clubs und hielt Ausschau nach Katrin. Aber vergebens. Durch seinen Aufenthalt in beiden Clubs bekam er neben Bands und DJ‘s, die auftraten auch eine Menge an Sachen mit, für die er sich vorher so gar nicht interessierte – Lesungen, Theateraufführungen, Gedicht- und Lyrikabende. Das war eine Welt, zu der er so sonst keinen Zugang hatte. Mit seinen Freunden da zu sein wäre undenkbar. Die leben in einer ganz anderen Welt. Aber es gefiel ihm und er hörte zu und sah sich gern an, was in den beiden Salons so geboten wurde. Das ließ ihn fast die Suche nach Katrin vergessen, doch gab es so Momente, wo sein Verlangen, sie zu finden, ins Unermessliche lief. Er holte sich an den Abenden, wenn er im Roten oder Grünen Salon war, immer das gleiche an der Bar. Er fing mit einem Bier an, meist ein Astra, danach trank er einen RedBull Voka auf Eis und zum Schluss nochmal eine kleine Sprite ohne Eis. Das war seine Getränkekombination für die Abende, die er mit Warten verbrachte. Als er eines Abends das Programm für die nächsten Wochen durchging stieß er auf einen Bandnamen, den er noch nicht gehört hatte. Und er hatte ihn auch noch nie auf dem Programm in den letzten Monaten gesehen. Daran würde er sich erinnern.
TOOTHBRUSCH OREGAN DISCO TIME war der Name, der Jens sofort ins Auge fiel und irgendwie auch seine Interesse erregte. Experimenteller Indiejazz mit einer Prise Pop gemischt, stand in der Programmbeschreibung. Jens war neugierig und freute sich auf den Abend. Jedesmal, wenn Jens sich bereit machte, um in den Roten oder Grünen Salon aufzubrechen, putzte er sich richtig raus. Er zog keinen teuren Anzug an oder trug kein teures Parfüm oder gar eine Uhr. Für seine Verhältnisse reichte es schon zu duschen und gut gepflegt die Wohnung zu verlassen. Bei seinem Job ließ er die Pflege an sich ein wenig schleifen, da er keinen Sinn darin sah, sich jeden Tag rauszuputzen. Er saß sowieso den ganzen Tag alleine in einem Büro, da war er für sich und den wenigen Kontakt, den er mit Kollegen hatte, konnte er an einer Hand abzählen. Nun war es soweit und der Abend, an dem die Band mit dem merkwürdigen Namen auftreten sollte war gekommen. Jens hatte bereits im Internet und auf Social Media geschaut, aber er konnte nichts zu dieser Band finden. Einlass war, wie immer, um 20 Uhr und Jens war bereits überpünktlich da. Es war dieses Mal sehr voll und so bildete sich schnell eine Schlage vor dem Roten Salon. Jens hielt weiterhin Ausschau nach Katrin, aber ohne Erfolg. Irgendwas war heute Abend anders. Die Stimmung im Club oder seine Anspannung, die Band mit dem komischen Namen, den man sich nicht merken konnte, zu erleben. Als Jens dabei war, sich eine Wodka-RedBull Mische an der Bar zu holen, ging es los. Der Club verdunkelte sich und Qualm wurde auf der Bühne verteilt. Es kamen 4 Personen auf die Bühne, die man noch nicht konkret erkennen konnte. Plötzlich erklang ein grelles Saxophon, das gleich darauf vom Schlagzeugbeat unterstützt wurde.
Kurz darauf setzte ein Keyboard ein, das wie ein Kinderspielzeug klang. Die Band fing an zu spielen, aber man konnte immer noch nicht genau erkennen, wie die Musiker auf der Bühne aussahen. Das erste Stück war rein instrumental und der Sänger tanzte nur auf der Bühne herum. Eher Sängerin, da Jens erkennen konnte, das sie ein Kleid trug. Als das zweite Lied begann war es immer noch dunkel, doch als es dann eine kurze Spannungspause hatte und wieder losdonnerte, gingen die Scheinwerfer an und man konnte die Band in ihrer vollen Pracht sehen. Voller Begeisterung rissen die Zuschauer die Hände hoch und begannen zu klatschen. Vor lauter Applaus konnte Jens gar nicht die einzelnen Mitglieder der Band sehen. Diese bestand komplett aus Frauen, die alle Kleider trugen. Und auf dem Gesicht trugen die vier Mitgleider irgendwelche japanischen Animemasken. Die Sängerin schob ihre Maske nun zum singen nach oben. Als sie das machte rutschte Jens vor lauter Schreck das Herz sonstwo hin. Katrin war die Sängerin von T:O:D:T, wie sie sich als Abkürzung nannten. Das konnte doch nicht sein, dass er sie nach all der Zeit endlich gefunden hatte und dann direkt sowas. Wie sollte er denn die Möglichkeit haben an sie ranzukommen und mir ihr zu reden? Und über was sollte er mit ihr reden? Musik war nicht sein Thema und auch die ganzen kulturelle Erfahrungen, die er in den letzten Monaten gemacht hatte, musste er erstmeinmal verarbeiten und verstehen. Er war Beamter und das war ein Teil von einer Welt, die er so überhaupt nicht verstand. „Ginger taste with big bright lights, infront of those freezing camera flies“ sang Katrin sehr elegant, melodsich und kristallklar, während sie mit ihrem Kleidchen über die Bühne schlenderte. Es war genau der Kontrast, der zu den wilden Sounds, die die Band hervorbrachte, Sinn machte. Die Kombinaton hatte er so nicht erwartet. Er hätte nie erwartet, dass er Katrin unter diesen Umständen wieder sehen würde. Er hatte sich schon viel ausgemalt, aber diese Variante, die im hier und jetzt passierte, hätte er nicht für möglich gehalten. Er schaute sich das T:O:D:T Konzert bis zum Ende an und holte sich dann irgendwann seine Sprite ohne Eis. Das Publikum war begeistert und so gab es eine Zugabe nach der anderen. Jens wartete ab, bis sich der ganze Trubel gelegt hatte. Die Band und auch Katrin kamen nach ihrem Auftritt in den Zuschauerbereich und unterhielten sich gefühlt mit allen Leuten, die da waren. Es waren viele ihrer Freunde und Bekannten und auch die Mädels vom Junggesellenabschied sah er hier rumlaufen. Coco hatte er auch schon gesehen. Sie war die ganze Zeit an Katrins Seite. Man sah ihr den Stolz auf ihre Freundin an. Nun musste Jens überlegen, wie er es anstellte, sie alleine zu erwischen und sie anzusprechen, ohne dass er es vergeigte. Die Aufregung in ihm stieg ins Unermessliche. Je weniger Leute im Roten Salon waren, desto mehr stieg seine Nervosität. Katrin hatte ihn auch noch nicht gesehen, da er sich nach Ende des Konzertes an die Bar verkrochen hatte um sie möglichst unauffällig zu beobachten.
Es wurde spürbar leerer im Salon und die Band fing an, die Intrumente abzubauen. Katrin rollte gerade Kabel zusammen, als Jens all seinen Mut zusammennahm und mit zwei Astra Bier zu ihr rüberging. Er weiß bis heute nicht mehr, was er zu ihr gesagt hatte, aber es schien zu funktionieren. Sie erinnerte sich an ihn und auch, dass ihre Freundin Coco ihr von ihm erzählt hatte. Sie verstanden sich auf Anhieb sehr gut und auch die Aufregung und Schüchternheit, die Jens gegenüber Katrin hatte, verflog etwas. Er konnte seine Blicke nicht von ihr lassen und je mehr sie ihm von sich erzählte, desto gößer wurde seine Faszination für sie. Dasselbe galt andersherum. Katrin wollte alles über seinen Beruf wissen und auch, wie er bisher gelebt hatte. Beide erlebten das komplette Gegenprogramm durch den anderen und genau das faszinierte beide so. Sie tranken ihr Bier aus und Jens half noch beim Aufräumen und Einladen des Equipments der Band. Auch mit den anderen Mädels aus der Band verstand er sich super und überlegte, ob er etwas, für ihn verrücktes, machen sollte, wie zum Beispiel ihr Manager zu werden oder so. Es war sonst gar nicht seine Art, solche Gedanken zu haben und wild rumzuphantasieren, aber Katrins Anwesenheit beflügelte ihn auf eine Weise es einfach zu tun. Als alles verpackt und verstaut war gingen die beiden noch eine Runde um das Gebäude der Volksbühne und unterhielten sich über alles Mögliche. Auch, wann sie sich das nächste Mal wiedersehen und weiterreden würden. Jens hatte ihr erzählt, dass er zu allen Veranstaltungen immer im Grünen oder Roten Salon auf sie gewartet, aber sie nie getroffen hatte. Sie war erschaut. Dasselbe hatte sie auch gemacht nachdem sie erfahren hatte, was Coco ihm für ein kleines Rätsel mit auf den Weg gegeben hatte. Bei ihr war es auch das gleiche erfolglose Ergebnis bis zu diesem Abend. Jens hatte nur die Bitte, dass er nie wieder so lange darauf warten wollte, bis er sie wiedersieht. Das würde er nicht aushalten. „Nein. Das wirst Du nicht!“ sagte Katrin und verabschiedete ihn mit einem Kuss auf seine Wange. Jens‘ Herz schlug wie verrückt und er konnte es immer noch nicht fassen, dass er sie heute Abend endlich wiedergetroffen hatte. Er kam aus der Euphorie gar nicht mehr heraus und blieb noch eine Weile an dem Ort stehen, wo sich beide verabschiedet hatten. Er schaute auf seine Hand und freute sich. Sie hatte ihm ihre Nummer auf die Hand geschrieben und er konnte es nicht erwarten, sich am nächsten Tag bei ihr zu melden. Diesmal war es anderes. Dieses überwältigende Gefühl kannte er nicht. Klar, er war verliebt, aber das alles mit einer 4-fachen Intensität. Diemal klappt es, das spüre ich, dachte er sich hoffnungsvoll und sah die großen Buchstaben der Volksbühne im Mondlicht leuchten. Er summte eine Textzeile aus einem von Katrins Liedern immer und immer wieder: „Red curled hair and butterflies, green red lights will vanish through the night.“
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