Es war an einem heißen Tag im August. Ich war in Kopenhagen. Die Sonne schien und ich wechselte andauernd die Straßenseite, um nicht direkt im Sonnenlicht zu gehen. Ich schwitze wie verrückt. Bepackt war ich mit meinem Rucksack, meinem iPhone und ein paar analogen Kameras. Eine Nikon FM, eine Canon ML und eine Kodak Funsaver. Außerdem hatte ich noch meinen Samsung Hi8-Camcorder dabei, um ein paar Eindrücke der Stadt aufzunehmen. Ich ging durch die Straßen und fotografierte Ecken, die ich für interessant hielt. Betrunkene, die auf dem Boden eingeschlafen waren, Fahrradfahrer, die sich Ihren Weg durch die Stadt bahnten und Touristen die nun zur Mittagszeit in Bars und Restaurants saßen und sich ihr Mittag bestellten. Ich wollte ein Gefühl einfangen. Versuchen, das auf einem Bild festzuhalten, was ich gerade erlebte und wie ich es fühlte. Das klappte mal mehr und mal weniger … aber was soll‘s. Ich machte einfach weiter.
Als ich mit meiner Kamera gerade in einem Busch nach dem perfekten Bildausschnitt suchte, sah ich ein kleines Restaurant. Es war unscheinbar. Vor der Tür standen 3 Tische mit Bänken. Die Fassade war weiß gestrichen und auf dem Schild über den Fenstern und dem Eingang stand „GAO Dumpling“. Es fiel mir sofort auf. Ich war im Stadtteil Norrebro in der Blagardsgade 3. Ein Straße, in der sich ein Restaurant an das nächste reihte. Die schlichte Gestaltung, die schwarzen Buchstaben. Ich musste hingehen und Freude kam in mir auf. Ich fühle mich sowieso zur asiatischen Kultur hingezogen und asiatisches Essen fasziniere mich. Es ist wie eine Art Sehnsucht … vielleicht Fernweh … das komplette Gegenteil zur deutschen, der europäischen Kultur. Das beeindruckt mich und lässt mich jedesmal aufs neue staunen. Vor dem Laden saß ein Mädchen, vielleicht eine Frau. Schwarze Haare, ein Zopf und sie zog auffällig lange an ihrer Zigarette.
Ihre Fingernägel waren unterschiedlich lackiert manche waren schwarz andere weiß. Sie waren aufgeklebt. Sie war auch auf ihrem Dekolleté tätowiert. Ich konnte nicht genau erkennen, was sie dort stehen hatte. Es war alles kleingeschrieben und in einer Frakturschrift. Sie spielte die ganze Zeit an ihrem Telefon.
Irgendwie machte sie mein Bild kaputt. Sie passte nicht vor diesen Laden. Es war mir egal. Ich ging rein. Man musste ein paar Stufen runter gehen, um in den Laden zu gelangen. Er war klein. Auf der linken Seite waren ein paar Tische und auf der rechten war ein großes, chinesisches Neonschild an der Wand, welches rot und blau leuchtete. Davor stand ein Tisch mit vier Hockern. Geradezu war der Tresen. Es war weit und breit niemand zu sehen und der Landen war leer. Es stand noch ein Kühlschrank mit Getränken im Laden und direkt daneben war eine Tür, die in die Küche und in einen anderen Raum zu führen schien. Ich schaute mich um und entdeckte auf dem Tresen den Bierausschank. Es gab drei verschiedene Sorten. Zwei lokale Biere, die Namen weiß ich nicht mehr, und ein japanisches Bier. Auf dem Tresen lagen Zettel. Es waren die Bestellzettel, auf denen man die Speisen ankreuzen sollte, die man haben wollte. Es gab nicht viel, was zur Auswahl stand. Es war ein Dumping Laden und es wurden vier oder fünf verschiedene Varianten zubereitet.
Ich schaute mir den kleinen Zettel in Ruhe an und kreuzte meine Dumpling Favoriten an. Es waren jeweils 6 Stück, die in einer bestimmten Sorte angeboten wurden. Ich wählte Hong Kong steamed, was die klassische Variante war und chicky grilled, welches von der japanischen gyoza inspiriert war. Endlich kam ein Mann aus der Küche und ging eilig mit zwei fertigen Dumpling Gerichten nach draußen. Sie waren bestimmt für die Frau, die draußen so eilig an ihrer Zigarette zog. Ich wartete. Als der Mann zurück kam eilte er schnell zurück in die Küche und kam dann zu mir an den Tresen. Er schien gleichzeitig Koch und der Besitzer des Ladens zu sein. Ich schob ihm meinen Zettel rüber und bestellte dazu ein japanisches Bier. Ich legte meine Kreditkarte auf das Lesegerät. 190 dänische Kronen. Der Mann sagte nicht viel. Er war leicht untersetzt, trug eine Brille und schwitzte. Hinter mir waren nun auch weitere Leute und ich fragte mich, wie er das alles alleine schaffen wollte. Ich ging zur Seite, so dass die anderen Gäste den Zettel für die Bestellung ausfüllen konnten. Der Mann verschwand wieder in der Küche. Sie war direkt hinter dem Tresen und klein. Ich blieb weiter in der Ecke stehen, um zu beobachten, wie er in der Küche anfing, das Essen zuzubereiten. Die Küche war nicht besonders hell. Kleine Lampen hingen überall und ein kleines Fenster war zu sehen, welches aber nicht viel Licht spendete. Auf dem Herd stand ein großer Topf, aus dem viel Dampf austrat. Darin wurden alle Dumplings zubereitet, die hier verkauft wurden.
Ich entschied mich, vor dem Essen nochmal zur Toilette zu gehen. Der Eingang war neben dem Kühlschrank. Ich ging einen kleinen Gang entlang, was sich falsch anfühlte. Ich kam mir vor, als würde ich in den Lagerbereich des Ladens gehen. Rechts und links gingen noch ein paar Türen ab, bis ich eine Tür fand auf der ein Toilettensymbol zu sehen war. Ich öffnete sie. Eine Toilette war aber nicht zu sehen. Ein weiterer Abstellraum. Ich schaute mich um und dachte, dass jeden Moment der Koch neben mir stand und mich zurückpfeifen würden. Aber es war niemand zu sehen. Ich schaute mich um und sah eine Tür mit asiatischen Zeichen dran. Ich versuchte, sie zu öffnen aber sie klemmte. Ich zog erneut am Griff, der sehr locker war, und da war sie: die Toilette. Ich hatte es geschafft. Ich ging mich erleichtern, wusch meine Hände um dann den gleichen Weg wieder zurück zugehen. Wieder im Laden angekommen hatte sich dieser erneut gefüllt. Es war jetzt eine Schlange von 5 Leuten, die darauf warteten, ihre Bestellung abzugeben. Es hatte sich auch ein Pärchen im Laden hingesetzt. Fast direkt am Ausgang, so dass man sich beinahe an ihnen vorbeidrängen musste. Ich blieb stehen und schaute mir die Situation am Tresen erneute an. Diesmal hat der Koch sich sogar mit den Kunden unterhalten – auf dänisch. Er erzählte wohl was zu den verschiedenen Dumplings, zumindest denke ich das, da ein paar Worte gefallen waren wie Hong Kong und steamed. Mir fiel aber erneut das Pärchen auf, welches sich im Innenraum hingesetzt hatte. Der Mann versuchte, seine Feundin oder Frau zu fotografieren. Mit einer analogen Kamera. Da er viel an den Kameraeinstellungen herumfummelte und ich das angenehme Geräusch des Film weiterspulens hörte, kam es mir gleich vertraut vor. Sie schien leicht genervt, konnte sich aber dann doch ein Lächeln abringen, als er soweit war. Ich war irgendwie erleichtert, als er es geschafft hatte. Ich ertappte mich aber viel mehr dabei, einen Blick auf seine Kamera zu erhaschen, um die Marke zu erblicken. Nichts …
er fummelte so eifrig daran rum, dass ich nichts sehen konnte und es war auch nich gleich offensichtlich die Marke zu erkennen. Die Kamera war schwarz und ich sah kein Leica, Canon oder sonst ein Logo. Ich ging hinaus, um mir einen Platz zu suchen. Die Frau war immer noch da … aß aber mittlerweile ihre Dumplings. Sie verwendete Stäbchen, was irgendwie komisch aussah in Kombination mit ihren aufgeklebten, langen, schwarzweiß Fingernägeln. Ich versuchte, wegzuschauen. Und dann kam auch schon der Koch mit meinem Bier. Er stelle es ab und legte mir Stäbchen und eine Servierte auf den Tisch. Ich bedankte mich mit einem „Thank you“, aber das schien ihn nicht weiter zu interessieren. Er wischte sich mit einem Geschirrtuch die Stirn ab und verschwand wieder im Laden. Ich nahm einen Schluck von dem japanischen Bier. Es schmeckte großartig. Ich kann gar nicht genau sagen, warum, aber die Stimmung, die Hitze und der Durst waren eine Kombination, die genau in den Moment passte. Ich nahm meine Nikon und wollte die Frau mit den aufgeklebten Fingernägel fotografieren, die immer noch mit ihren Dumplings beschäftigt war. Aber das Bild wollte ich nicht von ihr. Ich war mir sicher, dass wenn sie fertig ist, bestimmt die nächste Zigarette wartete. Also fotografierte ich in der Zwischenzeit noch ein paar andere Sachen, die mir an dem Laden so gefielen. Der Film in der Nikon war voll.
Ich wechselte den Film, nachdem ich noch einen weiteren Schluck von dem Bier genommen hatte. Dann kam auch schon der gestresste Koch mit den Tellern die Treppe hoch. Er schwitze immer noch. Normalerweise würde mir das negativ auffallen. Aber hier gehörte das irgendwie dazu. Er war alleine in der kleinen Küche, bereitete jeden Dumpling einzeln vor und brachte das das fertige Set zu den Kunden an den Tisch. Das beeindruckte mich irgendwie. Ich fing an, den ersten Dumpling mit meinen Stäbchen zu greifen um ihn dann in die Sojasoße zu tunken. Sie waren köstlich. Einer nach dem anderen wurde in der Sojasoße ertränkt. Mein Blick wanderte immer wieder zu der Frau, wartend und hoffend, dass der nächste Griff zur Zigarettenschachtel gehen würde. Leider nicht. Ich aß in Ruhe weiter und die Dumplings und das japanische Bier wurden immer weniger. Dann war es soweit …. die Schachtel ging auf … ihre Finger zogen eine Lucky Strike aus der Verpackung - es waren die roten Luckys. Sie schob sich die Zigaretten sofort zwischen ihre Lippen. Dann suchte sie in Ihre Tasche nach einem Feuzeug. Ich konnte das knistern der Zigarette hören, als die Flamme den ersten Tabak verbrannte. Ich machte mich bereit und versuchte, so unauffällig wie möglich in Position zu gehen. Mittlerweile hatte sie sich ihr Telefon genommen und klackerte mit ihren Nägel auf der Oberfläche herum. Sie schien eine Nachricht zu schreiben. An wen sie wohl schreiben würde? Ihrem Freund, einer Freundin oder vielleicht ihrer Mutter? Ich stand auf um das Bierglas und die beiden leeren Dumpling Teller reinzubringen. Drinnen hatte nun auch das Pärchen seine Bestellung bekommen und der Mann fummelte immer noch nervös an seiner Kamera herum. Wahrscheinlich wollte er noch ein Foto von seinem Essen machen. Ich stellte das Geschirr auf dem Tresen ab, blickte nochmal in die Küche, wo ich den Koch sah, wie er Dumpings aus dem dampfenden Topf nahm und ging dann die Treppe des Ausgangs hinauf. Da saß sie immer noch, die Zigarette fast fertig, das Telefon in der Hand. KLICK. Ich hoffte, sie hatte den Auslöser der Nikon nicht gehört. Ich ging zu meinem Platz, nahm meinen Rucksack und dann direkt weiter die Staße entlang. Ich blickte nochmal zurück. Die Frau drückte gerade die Zigarette aus und griff erneut zur Schachtel. Ich konnte jetzt noch das Klacken Ihres Feuerzeuges hören.
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