Oktober 2002. Berlin. Auf dem Alexanderplatz herrscht wie immer ein reges Treiben. Leute, die zur Arbeit gehen, Touristen, die an der Weltzeituhr Fotos machen, Schulklassen, die sich als Pulk über den Platz schieben. Ein ganz normaler Tag in Berlin. Die Sonne scheint, der Berliner Fernsehturm ist in seiner vollen Pracht zu sehen, die Tauben lungern auf den Gehwegen, um die herunterfallenden Reste der Passanten weg zu picken. Alles wie immer. Doch neben den ganzen Geräuschen der Passanten, den S-Bahnen und Autos ertönt Musik. Man kann nicht so recht ausmachen, wo sie herkommt, aber man nimmt sie war. Wenn man so über den Alexanderplatz schaut, bewegen sich überall Menschen. Vereinzelt stehen kleine Menschentrauben. Kaum jemand steht still auf der Stelle. Wenn man in die Nähe der Weltzeituhr kommt, wird die Musik langsam lauter. Es ist irgendein altes Schlagerlied, von einem Mann gesungen. Was genau, kann man noch nicht erkennen. Je mehr man sich der Uhr nähert, desto auffälliger wird ein Mann, der zu tanzen scheint. Er trägt ein gelbes Shirt, eine Jeans und irgendwelche Ledersneaker. Es steht eine kleine Lautsprecherbox, aus der die Musik kommt, auf dem Boden und daneben hat er eine kleine Tasche stehen, wo er seine Sachen drin verstaut hat. Er tanzt, ohne sich zu kümmern, was um ihn herum passiert. Dabei hat er einen kleinen Becher, sein Getränk in der Hand und eine Zigarette in der anderen. Er strahlt rundum gute Laune aus und ist komplett in seiner eigenen Welt.
Sein Name ist Mirco. Mirco Jansen. Er ist gebürtiger Berliner und mittlerweile 52 Jahre alt. Er hat nicht viel Geld im Monat zur Verfügung aber das ist ihm auch nicht so wichtig. Mircos Tag startet morgens in der Regel so gegen 10 Uhr, in seiner kleinen 2- Zimmer-Wohung in Berlin Wedding. Er kocht dann immer Wasser auf, um sich erstmal einen löslichen Kaffee zu zubereiten. Bis das Wasser kocht sucht er sich was zu essen, je nachdem, was er in seiner Küche findet: abgelaufene Aufbackbrötchen oder ein paar Schrippen vom Vortag, die er für umme von Hansis Brot um die Ecke bekommen hat. Der Aufschnitt oder Aufstrich variiert bei Mirco meist zwischen süß und deftig. Je nachdem, worauf er Lust hat, das kommt auf sein Brötchen. Er beschwert sich nicht über seine Situation, sondern ist mit dem zufrieden, was er kriegen kann. Er mag diese ständige Nörgelei nicht, obwohl er allen Grund dazu hätte, aber er findet, dass die anderen Nörgler schon genug tun. Heute landet Ja! Schinkenwurst auf seinen Aufbackbrötchen. Er mag die Kombination von warmen Brötchen und kalter Wurst. Das ruft in ihm ein Gefühl von Geborgenheit hervor und lässt in ihm Erinnerungen an früher wachwerden. Früher war alles besser, findet er. In den löschlichen Kaffee kommen bei Mirco immer noch zwei Süßstoffpastillen und ein ordendlicher Schuss Milch rein. Er trinkt gerne viel, deshalb darf der Kaffee auch ein wenig milder sein. Dann kann er mehr den Tag über verteilt trinken. Er will sich ja nicht in seinem Alter den Magen ruinieren. Wenn Kaffee für ihn wegfallen würde, dann wäre das ein schlimmer Einschnitt in seine Tagesstimmung. Wenn er mit dem Frühstück fertig ist, geht Mirco auf seinen kleinen Balkon, nimmt seine Zigarettendose mit und dreht sich erst einmal ein paar Zigaretten. Am morgen dürfen es auch gern mal mehr als eine sein, um gut in den Tag zu starten. Der Balkon ist mit allerhand Dingen zugemüllt, so dass wirklich nur noch Platz für eine Person ist. Es steht noch ein Aschenbecher irgendwo rum, aber der ist auch bis zum bersten gefüllt. Dieser sieht schon aus wie ein Mettigel mit Zwiebeln und Salzstangen. Nur eben, dass man kein Mett mehr erkennen kann und das ganze Ding nur noch aus Kippenstacheln besteht. Es sind aber zwischen dem ganzen Ramsch auch immer wieder Lücken, durch die Mirco runter auf die Straße gucken kann. Außerdem gibt es noch ein kleines, altes Radio von Sony, was an das Balkongeländer mit Kabelbinder festgemacht ist. Das hatt Mirco mal auf dem Sperrmüll gefunden und es hat ihn schon das ein oder andere Mal durch eine sehr einsame Nach gebracht. Mirco liebt Musik. Zuhause bei ihm läuft immer irgendwas. Entweder ein Schlagerradiosender, der Oldies spielte oder er legt sich selber das auf, worauf er Lust hat. In seiner Anbauwand findet sich eine erstaunlich Anzahl von Schalplatten, Kassetten und CDs. Von Rex Gildo, über Smokie bis hin zu Andrea Jürgens. Er liebt einfach alles, was ihn berührt. Es ist erstaunlich, was die Leute alles auf den Spermüll schmeißen. Für den einen Müll, für den anderen, in dem Fall Mirco, eine ganze Welt, denn er hatte seine gesamte Tonträgersammlung aus dem Sperrmüll gerettet.
Nachdem die Zigaretten aufgeraucht sind und der Kaffee zuneige geht, macht sich Mirco langsam auf den Weg in die Stadt. Er packt seine Sachen, zieht sich seinen Anorak an und schließt die Wohnungstür hinter sich zu. Im Hausflur begegnet er dann auch, wie üblich seiner Nachbarin Tina, die eine Etage unter ihm im 2. Stock wohnt. Die beiden mögen sich. Aber Tina mag jeden. Sie ist etwas schmuddelig, aber das stört Mirco nicht. Er ist oft bei ihr unten und die beiden trinken Korn und hören Andrea Berg. Die Lieder von Frau Berg hört Mirco nicht ganz so gerne, aber Tina zuliebe sagt er nichts. Tina fragt ihn, ob er spontan Lust hätte, mit zu ihr zu kommen und ein wenig „in den Laken wühlen“ wolle. Das war ihr Zeichen an ihn, dass sie mit im schlafen wollte. So richtig hatt Mirco keine Lust, aber als sie ihn mit einer kleinen Mische Rivercola/Whisky lockt kann er nicht nein sagen. Also geht er mit und zieht seine Schuhe und Jacke am Eingang aus und stellt seine Tasche dazu. Er bemerkt gleich, dass etwas komisch in der Wohung riecht, doch er kann nicht ausmachen, was es war oder wo es herkam. Es ist eine Mischung aus Schwefel, Schimmel und alten Essensresten. Er fragt sie, ob sie das nicht auch rieche, doch sie verneint es, als sie auf dem Weg ins Schlafzimmer nach und nach ihre Kleidung auszieht. Mirco muss schon den Würgereiz unterdrücken und kippt schnell die Mische herunter, um irgendwie dem Geruch zu entkommen. Er geht schnurstraks ins Wohnzimmer, um sich eine neue zu machen. Dabei merkt er, dass die erste direkt anschlägt, da sie ziemlich stark und zornig war. Die nächste würde er milder machen ... ganz wie seinen löslichen Kaffee. Er will sich ja nicht gleich ins Aus für den Tag schiessen, sondern einen stabilen Grad seiner Angeschwippstheit halten. Tina ruft schon aus dem Schlafzimmer, wo er denn bleibe und dass sie ganz geil auf ihn sei. Er komme sofort ruft er zurück und macht sich auf den Weg, nachdem er nur seine Hose ausgezogen hatt. Mehr braucht es nicht, denkt er sich. Als er ins Schlafzimmer kommt, liegt Tina dort schon spiltterfasernackt und bereit, Mirco zu empfangen. Mirco muss immer noch die erste Mische verarbeiten und der Geruch, der in der ganzen Wohung verbreitet ist, macht es auch nicht besser. Er versucht immer wieder, die Luft anzuhalten, aber es bringt nichts, da er dann um so intensiver wieder neue Luft einatmen muss. Ihm ist nicht wirklich gut und der Geruch wird gefühlt immer stärker. Er kann aber gar nicht lange darüber nachdenken, da wird er schon von Tina aufs Bett gezogen. Ihre Matratze ist extrem weich und hatt auch schon,wer weiß wie viele, Vorbesitzer gehabt. Das weiß Mirco, da er diese für einen Kumpel vom Spermüll geholt und sie dann nach einiger Zeit zu Tina ins Schlafzimmer verfrachtet hatt. An die Flecken, die auf der Matraze sind will er gar nicht erst denken. Ihm ist übel und da hilft es auch nicht, dass Tina ihm ihre sabbernde Zunge in den Hals steckt. Zähne geputzt hatt sie nicht und so hatt er im Handumdrehen Frühstücksreste von Ihr in seinem Mund. Ihm wird kurz schwarz vor Augen. Er ist ja viel gewohnt, aber irgendwann ist auch seine Grenze erriecht. Tina fängt an ihn immer leidenschaftlicher zu küssen und auch mit vollem Körpereinsatz über ihn herzufallen. Hin und wieder streift sein Gesicht ihre Achselregion, was ihm sonst nichts ausmacht aber da auch die letzte Dusche schon eine Weile zurückzuliegen scheint, kommt auch hier noch eine Geruchsnote mehr dazu, die er nicht gebrauchen kann. Er muss sich regelrecht zusammenreien, dass es ihm nicht hochkommt und so ist nun auch der letzte Funken Leidenschaft dahin. Als Tina immer weiter an ihm rumfummelt und versuchte ihn richtig heiss zu machen, merkt er, wie sie langsam veruscht ihn in ihren Schritt zu lenken. Normalerweise mag Mirco es, Frauen mit seiner Zunge zu verwöhnen doch heute ist ihm aus gegebenen Anlass nicht danach und er versucht, irgendwie drum herumzukommen. Aber Tina bleibt hartnäckig und ehe er sich versieht ist sein Gesicht in ihrem Schritt und seine Lippen auf ihren. Er hat einen kurzen Blackout, als sich der beißende Geschmack gepaart mit einer Dose Thunfisch in seinem Mund verbreitet. Er kann nicht weg, da Tina seinen Kopf kräftig gegen ihre Vagina drückt. Er kann nicht mehr und weiß nicht was er machen soll. Der Geruch und der Geschmack sind einfach zu viel für ihn. Sein ganzer Mund schmeckt nun nach ihrem ungewaschenen Körper und er kann sich noch so sehr dagegen wehren, aber er kommt nicht drum herum, irgendwann seinen Speichel zu schlucken – ob er will oder nicht, gegen diesen Reflex kann er nichts machen. Es ist wie eine Zündschnur, als der Speichel seine Speiseröhre herunterläuft und dann im Magen ankommt. Mirco kann es nicht mehr halten. Er muss sich erbrechen. Es füllt sich sein Mund und als dieser bis zum Bersten voll ist mit Erbrochenem, bekommt er etwas davon in die Nase und muss sofort anfangen zu husten. Er spuckt Tina überall voll und ihr gesamter Unterkörper ist nun voll mit seiner Kotze. Kurz darauf kommt der nächste Schwall, den Mirco dann aber auf den Teppich lenken kann. Tina weiß gar nicht, wie ihr geschieht, da sie immer noch in Extase von Mircos Lippen auf ihre Vulva ist. Doch als sie realisiert, was passiert ist, kommt sie aus dem Schreien nicht mehr raus. Sie schreit so laut, dass Mirco es nicht aushalten kann. Er muss weg.
Zu dem ohnehin ekelhaften Geruch in Tinas Wohnung kommt nun noch der ätzende Geruch seines Erbrochenem. Er schnappt sich seine Sachen und rennt in Richtung Tür. Tina ist ausser sich und schreit Mirco weiter an. Wie kann er es wagen sie anzukotzen? Mirco ist inzwischen an der Tür angekommen und zieht sich Jacke und Schuhe an, so schnell er kann, greift nach seiner Tasche und verschwindet in den Hausflur. Man hört Tina bis auf die Straße. Unten angekommen bleibt er erst einmal stehen und atmet frische Luft. Den Geruch würde er wohl heute nicht mehr aus der Nase bekommen, denkt er sich und geht langsam in Richtung U-Bahn Station. Er wohnt in der Kiautschoustraße und die nächste U-Bahn-Station ist die am Leopoldplatz. Dorthin schlendert er jeden Tag, egal bei welchem Wetter, bepackt mit seiner Tasche, in der er ein bisschen Verpflegung dabei hat. Was für ein Tag?! dachte er sich. Man ist noch gar nicht richtig wach und dann sowas. Mirco hatt seine Musikbox dabei, an der er ein kleines batteriebetriebenes Radio anschließen kann. Er dreht an den Sendern, bis er das Passende gefunden hat.
Rex Gildo mit Comme ci - Comme ca ist genau das, was er jetzt braucht. Seine Übelkeit hat sich nun gelegt und er tänzelt leichtfüßig auf dem Gehweg von rechts nach links. An der U-Bahn angekommen fährt er mit der U6 Richtung Alexanderpaltz, wobei er dann noch in die U5 umsteigen muss. In der U-Bahn kann er abschalten und macht gelegentlich auch mal die Augen zu. Ab und zu kommt es vor, dass Jugendliche ihn anpöbeln, er solle seine Musik ausmachen, aber er ignoriert sie so gut er kann. Er kippt sich auch gerne in der U-Bahn schon mal was in seinen blauen Becher, um seinen Wohlfühlpegel nicht zu verlassen. Am liebsten trinkt er Korn, aber ab und zu darf es auch Wein oder Bier sein, je nach Tageszeit und -form. Den Becher versteckt er immer dezent hinter seiner Jacke, da es nicht so gern gesehen wird, dass in der U-Bahn getrunken wird. Endlich angekommen steigt er am Alexanderplatz aus und macht sich auf den Weg zur Weltuhr. Auf dem Weg dahin trift er ein paar Bekannte und kommt immer wieder ins klönen. Das dauert meist eine Bier- oder Zigarttenlänge und dann geht es auch schon weiter. Mittlerweile ist es Mittagszeit und nachdem Mirco alles, was er gefrühstückt hat, mehr oder weniger auf Tina hinterlassen hat, will er sich nocheinmal stärken, bevor er anfängtg das Tanzbein zu schwingen. Im seinem kleinen Radio trällert gerade Bata Ilic mit Komm auf das Schiff meiner Träume. Er hat sich ein paar von seinen Aufbackbrötchen mitgenommen, die nun langsam anfangen, hart zu werden. Er hat Käse und Jagdwurst draufgepackt und damit es nicht so schwer zu kauen ist, trinkt er immer gleich einen Schluck Bier hinterher, damit sich die Brötchen in seinem Mund schneller auflösen. Allzuviel bekommt er nicht runter da sich Tinas Wohnungsgruch in seiner Nase festgesetzt hat. Die Nachtischzigarette raucht er immer besonders genüsslich und schenkt sich dazu seinen Instantkaffee ein, den er sich in einer Thermoskanne von zu Hause mitgenommen hat. Jetzt ist er soweit und kann loslegen. Er schlendert zur Weltuhr und stellt seine Tasche und die größere Lautsprecherbox auf den Boden. Dann schließt er sein Radio an, die Musik wird langsam lauter und die Leute fangen an zu gucken, was er da so treibt. Sehr schön, denkt er sich, nachdem alles so eingestellt ist, wie es sein soll. Im Radio läuft nun der Klassiker von Peter Alexander mit Der Papa wird‘s schon richten und Mirco steigt sofort mit ein und fängt an zu tanzen. Drehung links, Ausfallschritt rechts, ganz egal, wonach ihm ist, das macht er auch. Aber es steht nirgends ein Hut, eine Dose oder sonst irgendwas, wo die Leute Geld reinwerfen konnten. Nein, das will er nicht. Ihm geht es einfach nur ums Tanzen und die Leute zum mitmachen zu animieren. Klar gibt es viele, die ihn für durchgeknallt oder verrückt halten aber das ist ihm egal. Wenn er tanzt, dann tanzt er. Er ist dann wie in einem Tunnel. Es gibt auch viele, die ihn beleidigen oder sogar schubsen, aber auf der anderen Seite genauso viele, die mittanzen und den gleichen Spass haben wie er. Bei dem Betrieb auf dem Alexanderplatz kein Wunder – da ist wirklich jede Art von Mensch dabei. Zwischendurch macht er immer wieder eine kleine Pause, um Korn und Zigartten nachzulegen, aber dann geht es auch gleich wieder weiter.
So tanzt er bis es anfängt zu dämmern und sich die Massen auf dem Alexanderplatz langsam auflösen. Er wird immer wieder gefragt, wo er die Motivation hernimmt, jeden einzelnen Tag in der Woche hier zu tanzen. Er überlegt jedes Mal wieder aufs Neue und kommt immer wieder zur gleichen Einsicht: Es ist seine Mutter. Sie liebte Musik genauso wie er und sie sind früher immer beide bei laut aufgedrehter Musik durch ihre kleine Wohung getanzt. Das war für ihn das Schönste auf der Welt und er will sich so eine Erinnerung an sie bewahren. Sie ist vor mehreren Jahren gestroben. Mirko hat dasnie so richtig verarbeitet, doch sieht er das Tanzen nun als Trauerbewältigung für sich. Eine weitere Frage, die auch immer wieder auftaucht ist die, warum er gerde hier auf dem Alexanderplatz tanzt, neben der Weltuhr. Darauf antwortet er stehts, dass man beim Tanzen leicht die Zeit aus den Augen verliert und er sich immer wieder vor Augen führen will, dass es nicht um die Dauer geht, wie lange man etwas macht, sondern mit welcher Freude und Intensität. Außerdem ist er so immer auf sehr vielen Fotos von Touristen und kann somit quasi um die ganze Welt tanzen und die Leute können ihn so, zumindest auf einem Bild, kennenlernen. Das findet er schön.
Mirco packte seine Sachen zusammen und machte sich langsam auf den Rückweg. Er will noch bei ein paar Supermärkten vorbeischauen und gegebenenfalls die abgelaufenen Lebensmittel mitnehmen, die an den Hinterausgang gestellt wurden. Mit ein paar Supermarktbesitzern gibt es die Vereinbarung, dass sie die Ware nicht wegschmeißen, sondern an eine bestimmte Stelle legen sollen, so dass Mirco und seine Freunde sie abholen können. Außerdem möchte er noch in die Lynarstraße zur Obdachlosenhilfe, ein warmes Essen abstauben. Er ist zwar nicht obdachlos aber auch da kann er die ein oder andere Sache mit den Verantwortlichen drehen. Als Gegenleistung hilft er ihnen bei Arbeiten, wo Kraft gebraucht wird, z.B. Umzüge oder Sperrmüllaktionen. Nachdem er mit seiner Essensrunde fertig ist, macht er sich auf den Weg nach Hause. Er will noch bei Tina vorbeischauen und hofft, dass sie sich nun wieder eingekriegt hat. Er kommt in Treppenhaus und promt hat er wieder den Geruch aus ihrer Wohung in der Nase. Das geht so nicht. Das ist eckelhaft, findet er. Mirco reißt im ganzen Flur die Fenster auf um einmal ordentlich durchzulüften. Im zweiten Stock angekommen klopft er zuerst an Tinas Tür und als keine Reaktion kommt, fängt er an zu klingeln. Aber es macht niemand auf. Komisch. Um die Zeit ist sie doch immer zuhause. Egal – denkt er sich und geht eine Etage höher in seine Wohung. Nachdem er alle Sachen ausgeräumt hat, geht er auf den Balkon eine rauchen. In der Wohung mag er es nicht so wirklich, da ihn kalter Rauch an irgendetwas erinnert, woran er nicht denken mochte. Was genau es war weiß er nicht. Als er nun auf dem Balkon steht und die Zigarette genießt, hört er über sich Geräusche. Es ist auch für Berliner Verhältnisse relativ ruhig auf der Straße, so dass er ohne Probleme durch die offenen Fenster hören kann, was in den anderen Wohnungen vor sich geht. Es ist Tina, die stöhnt und das nicht gerade leise. Über ihm wohnt Klaus, den er aber nicht sonderlich mag. Er hat so eine komische Art an sich, mit der er nicht gut kann. Irgendwie eine negative Aura. Tina mag ihn eigentlich auch nicht. Mirco weiß nicht, was los ist. Ist sie so sauer auf ihn, dass sie gleich zum Nächstbesten in die Kiste springt? Na ja. Es liegt ihm nicht viel an ihr. Sie ist nicht sonderlich hübsch und ihr Körper hat die besten Jahre auch schon hinter sich. Meistens trinkt Mirco sich Tina schön, um noch irgendwie in Stimmung zu kommen. Aber das heute morgen war einfach zu viel für ihn und allein beim Gedanke daran dreht sich sein Magen um. Morgen würde er runtergehen und ihr sagen, dass sie ihre Scheiß- Bude aufräumen solle, so dass sie den Gestank los wird. Mirco macht sich ein Bier auf, um seine Nerven zu beruhigen. Um seine Stimmung zu retten geht er an sein Schallplattenregal. Er zieht die erstbeste Platte heraus, die ihm in die Finger kommt. Es ist das Hautnah Album von Udo Jürgens. Das kommt ihm gerde recht. Er holt die Platte aus dem Pappschuber und legt sie auf seine HiFi Anlage mit Schalplattenspieler. Es ist so eine Kombination von Philips, bei der der Schalplattenspieler oben integriert ist. Ein CD-Player und das Kassettendeck sind weiter unten. Er legt die Platte auf und versucht, sein Lieblingslied zu finden. Lied Nummer 5 auf der B-Seite. Es gibt keine hässlichen Mädchen. Er dreht die Lautstärke fast voll auf. Denen oben wird er es zeigen. Alltägliche Wunder scherben im Rinnstein, und Regen auf schwarzem Asphalt fängt Udo an zu singen und Mirco nimmt nochmal einen großen Schluck von seinem Bier und fängt dann an sich im Takt zu bewegen. Er hat die Stöhngeräusche von Tina und Klaus immer noch im Ohr und versucht sich voll und ganz auf Herrn Jürgens einzulassen. Er macht die Musik immer lauter und tanzt immer schneller, auch wenn er längst nicht mehr im Takt des Liedes duch sein Wohnzimmer gleitet. Er hört die Platte noch zuende und langsam wird ihm wieder leicht übel. Es richt jetzt zwar nicht mehr nach Tinas geruchsverseuchter Wohnung, aber irgendwas anderes schlägt ihm auf den Magen. Er versucht noch mit dem Bier das Gröbste zu verhindern, aber er merkt, dass es langsam in ihm aufsteigt. Wenn er eins hasst, dann ist es, sich zu übergeben. Er fühlt sich dann immer wie ein Schwein, dass zur Schlachtbank geführt wird. Von den Geräuschen, die er beim Erbrechen macht mal ganz abgesehen. Er rennt so schnell er kann um in sein Bad zu gelangen. Vor der Toilette liegt ein kleiner Vorleger und in gleicher Farbe und Muster ist auch der Toilettendeckel bezogen. Den Vorleger kann er noch schnell mit den Füßen wegschieben, aber für den Toilettenbezug kommt jede Hilfe zu spät. Bei halber Öffnung des Deckels reiert Mirco die ganze Toilette inklusive der Rückwand voll. Der Geruch macht ihn fertig. Er sieht sich sein Werk an und kann Überreste von seinem Abendessen erkennen. Aber das Schlimmste ist, dass sein Erbrochenes nach Fisch riecht - genauer gesagt nach Thunfisch. Danke Tina.
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